Österreichischer Staatsvertrag

Österreichischer Staatsvertrag
Österreichischer Staatsvertrag,
 
der am 15. 5. 1955 in Schloss Belvedere in Wien zwischen Österreich und den vier Besatzungsmächten (USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich) geschlossene Vertrag, der Österreich als freien, unabhängigen und demokratischen Staat völkerrechtlich wiederherstellte (Art. 1 und 2). Eine politische und wirtschaftliche Vereinigung zwischen Österreich und Deutschland wurde verboten (Art. 4), die Grenzen Österreichs wurden nach dem Stand vom 1. 1. 1938 bestimmt (Art. 5). Der Vertrag enthält darüber hinaus Bestimmungen über den Schutz der Menschenrechte (Art. 6), die Minderheitenrechte von Slowenen und Kroaten (Art. 7), die Garantie einer demokratischen Regierung (Art. 8), Bestimmungen über die Auflösung aller NS-Organisationen (Art. 9) sowie militärische Bestimmungen (v. a. Verzicht auf den Besitz oder die Herstellung von Atomwaffen, von schweren Waffen für Massenvernichtungsmittel, von Kampfstoffen; Art. 13). Mit In-Kraft-Treten des Österreichischen Staatsvertrags (27. 7.) endete das Besatzungsrecht der vier alliierten Mächte, deren Truppen bis 31. 12. 1955 Österreich verlassen sollten (Art. 20).
 
Vorgeschichte und Bedeutung:
 
1947-49 arbeitete eine Konferenz der stellvertretenden Außenministern der vier Besatzungsmächte den Entwurf eines Staatsvertrages mit Österreich aus. Im Zeichen des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts verknüpfte die UdSSR, die eine Einbeziehung Österreichs in das westliche Bündnissystem befürchtete, ihre Zustimmung zum Vertrag mit Sicherheitsgarantien. Mit dem Eintritt einer gewissen Entspannung nach Stalins Tod (1953) gab die UdSSR die Verbindung der deutschen Frage mit Österreich auf und akzeptierte den Vorschlag des österreichischen Außenminister L. Figl, Österreich durch eine dauernde Neutralität aus dem Spannungsfeld der internationalen Politik herauszuhalten. Nach der politischen Verpflichtungserklärung zu einer »immer währenden Neutralität« (Moskauer Memorandum zwischen der sowjetischen Regierung und einer österreichischen Delegation, J. Raab, A. Schärf, Figl, B. Kreisky; 15. 4. 1955) sowie der Ausarbeitung des endgültigen Vertragstextes auf einer Botschafterkonferenz der vier Siegermächte in Wien unterzeichneten die Außenminister Österreichs und der vier Besatzungsmächte am 15. 5. 1955 den Österreichischen Staatsvertrag. Nachdem die Besatzungstruppen bis zum 24. 10. 1955 abgezogen waren, erklärte der Nationalrat am 26. 10. 1955 (seit 1965 Nationalfeiertag) die »immer währende Neutralität« Österreichs. - Am 6. 11. 1990 wurden, mit nachträglicher Zustimmung der Signatarstaaten, einige (überholte) militärische Bestimmungen revidiert, nicht jedoch das ABC-Waffen-Verbot. Seit 1989/90 gilt die mit dem Österreichischen Staatsvertrag verbundene freiwillige Verpflichtung zur Neutralität in Österreich nicht mehr als unumstößliche Doktrin; eine Diskussion zur Ablösung des Österreichischen Staatsvertrags begonnen hat.
 
 
F. Ermacora: Österreichs Staatsvertrag u. Neutralität (1957);
 K. Ginther: Neutralität u. Neutralitätspolitik. Die österr. Neutralität. .. (Wien 1975);
 A. Verdross: Die immerwährende Neutralität Österreichs (1978);
 G. Stourzh: Gesch. des Staatsvertrages 1945-1955 (Graz 31985).

Universal-Lexikon. 2012.

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